CityCalc – Städtebauliche Wettbewerbe mit Energieeffizienz

Im Projekt CityCalc, gefördert im Rahmen des Forschungs- und Technologieprogramms „Stadt der Zukunft“ aus Mitteln des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, haben wir uns gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Gratzl, AEE INTEC und der BOKU Wien intensiv mit dem Thema Energieplanungs- und Bewertungsinstrument für den Städtebau beschäftigt.

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3D-Modell CityCalc zur energetischen Bewertung. ECR – Energy City Graz-Reininghaus (6)

Im Zuge der Bearbeitung wurden im November 2016, in der Zeitschrift Wettbewerbe, im Heft 329, die Artikel Städtebauliche Wettbewerbe mit Energieeffizienz und Energie verschwendet? Energie in Architekturwettbewerben veröffentlicht. Wir können hier einen erweiterten Text publizieren.

Städtebauliche Wettbewerbe mit Energieeffizienz

Vorwort: Univ. Prof. Arch. DI Dr. Martin TREBERSPURG

Nach über 100 Wettbewerben und vielen Jurytätigkeiten, auch als Fachmann für Energieeffizienz, begleitet mich nun das Thema der Auswahl des besten Architekturprojektes das zugleich das höchste Potenzial für Energieeffizienz aufweist nun schon seit den 1980er Jahren. Besonnung und Energieeffizienz, eine rein physikalische wertfreie Größe, sollte ein nachvollziehbares Beurteilungskriterium werden wie m³ umbauter Raum, m² Gebäudehüllfläche und geschätzte Baukosten (1). Im Jahr 2010 ermöglichte es ein Forschungsauftrag der Programmlinie „Haus-der-Zukunft“ mit Roman Smutny und meiner Arbeitsgruppe Ressourcenorientiertes Bauen an der BOKU gemeinsam mit IFZ Graz und TU Graz ein digitales Werkzeug zur Beurteilung zu entwickeln, das keinen wesentlichen Mehraufwand für Entwerfer und Vorprüfer versursachte (2). Nach Verhandlungen mit der Architektenkammer wurden von Walter Chramosta derartige digitale Design- und Bewertungstools in die Wettbewerbsordnung aufgenommen. Das neu entwickelte IEAA-Tool (Integration Energierelevanter Aspekte in Architekturwettbewerben) wurde sehr erfolgreich in mehreren Wettbewerben eingesetzt und in Österreich und Deutschland stark nachgefragt.

Das IEAA-Tool wurde primär für Entwurf und Beurteilung von einzelnen Gebäuden eingesetzt. Ein wichtiger weiterer Schritt war es, dieses Tool um städtebaulichen Aspekte zu erweitern und Wechselwirkungen auf Quartiersebene, wie beispielsweise gegenseitige Verschattung, zu berücksichtigen. Dies wurde in einem weiteren Forschungsprojekt „CityCalc“ (3) der Programmlinie „Stadt-der-Zukunft“ bearbeitet und die vorläufigen Ergebnisse werden hier erstmals präsentiert.

Grundsätzlich, wie in (4) ausführlich beschrieben, unterscheidet man eine Hierarchie von sechs solaren Entwurfs- und Planungsmaßnahmen, wobei Maßnahme eins „Grundstück und Topografie“ und zwei „Bebauungsplan“ primär sind, da sie auf Jahrhunderte die Bebauungsstruktur festlegen. Darauf aufbauend ergibt sich Maßnahme drei „eine Solarwärme-gewinnmaximierende Baukörperstrategie“ sowie eine „Transmissionswärme-verlustminimierende Baukörperstrategie“. Und genau hier setzen die Bemühungen für die Bewertung der Energieeffizienz an, d.h. durch optimierte Baukörper eine Energieeinsparung ohne bauliche Mehrkosten zu erzielen. Mit dem CityCalc-Tool, das im Zusammenhang mit der Energieausweissoftware ArchiPHYSIK am Markt betreut werden wird, ist erstmals ein praktikables Werkzeug vorhanden.

Nach Gesprächen u.a. mit der Leitung der MA21 Stadtplanung und MA20 Energieplanung in Wien besteht das Ziel, dieses Programm zukünftig allgemein zur Beurteilung von städtebaulichen Wettbewerben in Wien einzusetzen.

Energie verschwendet? Energie in Architekturwettbewerben

Autoren: Markus GRATZL, Kurt BATTISTI, Roman SMUTNY, Stefan SATTLER

Die derzeit übliche Art der Bewertung von Energieeffizienzkriterien in Architekturwettbewerben stellt häufig weder für Wettbewerbsauslober, noch für Teilnehmende und Preisgericht eine zufriedenstellende Lösung dar. Im Rahmen des Forschungsprojekts CityCalc (5) wurde deshalb ein Energieplanungs- und Bewertungsinstrument für den Städtebau entwickelt. Dessen Anwendung ermöglicht es extern zugezogenen Experten, im Rahmen von Wettbewerbsbegleitungen fundierte Aussagen zur energetischen Qualität der Projekte in unterschiedlichen Detaillierungsstufen zu treffen. Auf diese Art und Weise entsteht den Teilnehmern aus diesem Kriterium kein zusätzlicher Aufwand in der Bearbeitung des Wettbewerbs.

Steht das Thema „Energie“ im Rahmen von Architekturwettbewerben auf der Tagesordnung (sprich „in der Auslobung“), so wird häufig mehr davon verschwendet als eingespart: Experten formulieren Auslobungskriterien, Planer entwickeln ausgefeilte Konzepte ohne zusätzliches Honorar, im Rahmen der Vorprüfung werden zweifelhafte Angaben bis ins Detail nachvollzogen, in der Preisgerichtssitzung für die Jury die relevanten Vor- und Nachteile aller Projekte aufgeschlüsselt. Mit welchem Ergebnis? Trotz ambitionierter Vorgaben in der Wettbewerbsauslobung wird dem Energiethema bei der Entscheidungsfindung oftmals nur eine geringe Bedeutung zugemessen und die verfehlte hohe Energieeffizienz wird mit dem Argument, man könne ohnehin „mit zusätzlicher Wärmedämmung heilen“ oder dies „im Haustechnikkeller erledigen“, weggewischt. Das Resultat: hoher Energieeinsatz für die Bewertung des Kriteriums Energie, um am Ende ein Projekt mit mäßiger Energieeffizienz zu realisieren. Energieverschwendung also?

Natürlich gibt es auch eine Vielzahl an Wettbewerben, in denen die Herangehensweise nicht der Schilderung entspricht. Gemeinsam ist jedoch allen Wettbewerben, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen und Planungsziele konkurrenzieren, was für das spezifische Thema Energie ebenso gilt wie beispielsweise für Schallschutz, Freiraumqualität, Luftdurchströmung und innerstädtische Wärmeinseln. Für die Wettbewerbsakteure besteht folgende Ausgangslage (siehe auch (4)):

  • Auslober wissen um den richtungsweisenden Charakter von Entscheidungen in frühen Projektphasen und fordern daher zunehmend höhere Detaillierungsgrade bei der Ausarbeitung.
  • Wettbewerbsteilnehmern werden zusätzliche Leistungen ohne entsprechende Abgeltung der erhöhten Aufwände abverlangt.
  • Vorprüfer müssen in sehr kurzen Zeiträumen immer vielfältigere Fragestellungen abprüfen und stichhaltige Beurteilungsergebnisse liefern.
  • Jury-Mitglieder müssen eine Vielzahl komplexer Kriterien in ihre Bewertung einfließen lassen, für die häufig keine ausreichenden Beurteilungsgrundlagen vorhanden sind.

Wie sich also diesem Problem nähern? Um das Kriterium „Energie“ in möglichst vielen Wettbewerben zu behandeln, war ursprünglich das Ziel, dass möglichst ohne Mehraufwand für die Verfahrensbegleitung, das heißt ohne zusätzliche Einbindung von Experten, das Auslangen gefunden werden sollte. Dementsprechend wäre die Erhebung der Eingabedaten zur Ermittlung quantitativer Kenngrößen aus Ressourcengründen von den Wettbewerbsteilnehmern selbst durchzuführen. Die ermittelten Vergleichswerte würden nach Aufbereitung durch die Vorprüfung in weiterer Folge vom Preisgericht diskutiert und in der Beurteilung des Wettbewerbs entsprechend berücksichtigt.

Unter dieser Prämisse wurde die Herangehensweise an die Forschungsfrage des Projekts CityCalc (5) definiert: Es sollte ein „Energieplanungs- und Bewertungsinstrument für den Städtebau“ entwickelt werden. Mithilfe dessen könnten Wettbewerbsteilnehmer ihre Projekte für die energetische Bewertung als stark vereinfachte 3D-Modelle mit dem Detailgrad eines Volumenmodells aufbauen und die energetische Bewertung mit Softwareunterstützung bereits selbst und weitgehend objektiviert vornehmen. Von der Vorprüfung wären nur noch die Ergebnisse zu sammeln und dem Preisgericht vorzulegen.

Für die vereinfachte 3D-Modellierung wurde das CityCalc-Tool als SketchUp-Plugin entwickelt. Die Planer müssen lediglich die Gebäudehüllflächen in ein vorgegebenes 3D-Umgebungsmodell einfügen und die Nutzungszonen festlegen. Die Festlegung der Geschoßebenen, die Erkennung der Flächentypen und ein Plausibilitätscheck des Modells erfolgen unterstützt durch die Software. Weiters werden automatisch die Hüllflächen und Bruttogrundflächen berechnet und damit ein zusätzlicher Nutzen für die Planer erzielt. Die energetische Bewertung erfolgt durch Export des Modells zu einem externen Server und die Berechnung beruht auf der Energieausweisberechnungs-Software Archiphysik. Die Energiekennzahlen werden direkt in SketchUp dargestellt und dienen als Vergleich für Variantenstudien und Optimierungen. Zusätzlich dient das 3D-Modell für Verschattungsstudien und zur Visualisierungen der Besonnung von Baukörpern und Freiraum mithilfe von zusätzlichen SketchUp-Plugins wie beispielsweise SunHours (siehe Abbildung Modellierungsprozess CityCalc).

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Abb 2: Modellierungsprozess CityCalc. Eingabe Bauvolumen und Nutzungszonen. Visualisierung Besonnung (7)

Durch diesen reduzierten Ansatz sollen möglichst viele Auslober überzeugt werden, CityCalc in ihren Wettbewerben einzusetzen. Allerdings bestätigten sich im Laufe des Projekts einige Erkenntnisse, die sich aus der Erfahrung vieler begleiteter Wettbewerbe und unzähliger Diskussionen mit Auslobern, Architekten und Kammervertretern bereits zuvor angedeutet hatten. Sie können zu folgenden Grundregeln für die Bewertung des Kriteriums „Energie“ in Architekturwettbewerben zusammengefasst werden:

  1. Weniger ist mehr. Der zusätzliche Aufwand für Wettbewerbsteilnehmer ist so gering wie möglich zu halten.
  2. Ist „nichts“ vielleicht alles? (8) Entwurfsimmanente Parameter wie Kompaktheit, Fensterflächenanteil und Orientierung müssen den Kern der Beurteilung darstellen. Dämmstärken, Sonnenschutz oder Haustechnikkonzepte sind in derart frühen Planungsphasen noch zu starken Änderungen unterworfen, sodass deren Bewertung wenig zielführend ist.
  3. Quantitativ vor qualitativ. Eine Bewertung der Teilnehmerbeiträge basierend auf einem etablierten physikalischen Berechnungsmodell ist zwingend erforderlich, um stichhaltige Aussagen treffen zu können. Rein qualitative Bewertungen sind zu vermeiden.
  4. Probieren geht über Studieren: Wettbewerbsteilnehmern ist die Möglichkeit zu geben, ihre Entwürfe hinsichtlich Energieeffizienz auf eine in der Auslobung festgelegte Zielgröße (oder darüber hinaus) mit dem in der Vorprüfung eingesetzten Bewertungsinstrument zu optimieren.
  5. Expertenmeinung zählt. Die Ergebnisse der energetischen Vorprüfung sollten der Wettbewerbsjury durch Experten vermittelt werden.
  6. Energie ist nicht alles: Die Energieeffizienz eines Wettbewerbsprojekts ist lediglich ein Kriterium von vielen, die seine gesamte Qualität bestimmen. Es gilt, energetisch ungünstige Entwürfe zu identifizieren und auf deren Probleme hinzuweisen. Wie auch bei anderen Kriterien soll die Jury Empfehlungen für weitere Optimierungsmaßnahmen abgeben.

Der Vergleich dieser Grundregeln mit dem geplanten Ansatz von CityCalc lässt einen Widerspruch offenbar werden. Wurde ursprünglich angestrebt, Wettbewerbe möglichst ohne Einbindung externer Experten abzuwickeln, zeigen Rückmeldungen der Akteure des Wettbewerbswesens andere Anforderungen: Anstatt im Verfahrensablauf die Rolle von externen Experten weitestgehend zu minimieren, wird deren Einbindung – quasi als „missing link“ zwischen den Anforderungen von Auslobern und Planern – explizit gefordert. Dementsprechend war es erforderlich, die Projektidee von CityCalc maßgeblich zu revidieren. Die CityCalc-Erweiterung für SketchUp in Kombination mit der Energieausweissoftware ArchiPhysik bietet die Möglichkeit, binnen kürzester Zeit relevante Energiekennzahlen zu ermitteln. Somit können kostengünstige „Wettbewerbsbegleitungen Energie“ angeboten werden, die alle zuvor definierten Grundregeln erfüllen. Dazu wurden zwei Pakete für Wettbewerbsbegleitungen mit unterschiedlichem Umfang definiert:

  • Paket BASIS beinhaltet eine grundlegende Beurteilung der elementaren Kenngrößen für Energieeffizienz und beschränkt sich weitestgehend auf die Anwendung des CityCalc-Tools.
  • Paket DETAIL kann im Unterschied dazu bei besonders ambitionierten Bauvorhaben eine vertiefte Untersuchung der Wettbewerbsprojekte hinsichtlich weiterer Nachhaltigkeitsaspekte vorgenommen werden. Neben der Anwendung von CityCalc werden zusätzliche Kriterien wie Tageslichtnutzung, sommerlicher Komfort, Lebenszykluskosten oder Technikintegration geprüft und bewertet. Auf diese Art und Weise können sehr detaillierte Aussagen zur energetischen Qualität der Wettbewerbsprojekte getroffen werden.

Die Rückmeldungen aus drei im Rahmen des Projekts (10) und einer Vielzahl weiterer begleiteter Wettbewerbe sind sehr vielversprechend: Die definierten Pakete und die jeweils gelieferten Ergebnisse erfüllen die Erwartungen von Auslober und Preisgericht in hohem Maße. Die Kurzdarstellung der Bewertung im Rahmen der Preisgerichtssitzung und die damit verbundene Möglichkeit, weitere Fragen zu sensiblen Punkten direkt an Experten zu richten, wird sehr gut angenommen. Eine Kombination mit weiteren Untersuchungen (Schallimmissionen, Windsimulationen) bietet sich auf Basis des dreidimensionalen Gebäudemodells an. Den Teilnehmern entsteht kein zusätzlicher Aufwand bei der Wettbewerbsbearbeitung. Sie haben jedoch die Möglichkeit, CityCalc als Planungsinstrument in der Wettbewerbsausarbeitung einzusetzen und damit eine Optimierung des eigenen Projekts in Bezug auf dessen Energieeffizienz zu erzielen.

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Abb 3: Workflow Wettbewerbsbegleitung mit CityCalc (9)

CityCalc wird vom Expertenteam des Forschungsprojekts bereits laufend im Rahmen von Wettbewerbsbegleitungen eingesetzt. Für Fragen stehen Markus Gratzl (Ingenieurbüro Gratzl), Heimo Staller (AEE INTEC), Roman Smutny (BOKU Wien) jederzeit gerne zur Verfügung.


Quellenangaben

  • (1) Martin Treberspurg, 1996, „Architekturwettbewerbe unter energetischen und ökologischen Bedingungen“, Wettbewerbe Architekturjournal, Ausgabe 153/154.
  • (2) Martin Treberspurg, 2010, „Energetische Aspekte in Architekturwettbewerben“, Wettbewerbe Architekturjournal, Ausgabe 283/284, S. 6-9
  • (3) Markus Gratzl, Roman Smutny, Martin Treberspurg, 2014, „Energieeffizienz in Architekturwettbewerben“, Wettbewerbe Architekturjournal, Ausgabe 316, S. 12-15.
  • (4) Martin Treberspurg, 1994, „Neues Bauen mit der Sonne: Ansätze zu einer klimagerechten Architektur“, Springer Verlag.
  • (5) Projekt CityCalc. Gefördert im Rahmen des Forschungs- und Technologieprogramms „Stadt der Zukunft“ aus Mitteln des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie.
  • (6) Bebauungskonzept Energy City Graz-Reininghaus aus Forschungsprojekt „Rahmenplan Energie – ECR“ (TU Graz, Institut für Städtebau), Basisbild (ht-vis architekturvisualisierung), Wettbewerbsergebnisse Quartier 1, 4a (Atelier Thomas Pucher ZT GmbH) und Quartier 5 (Pentaplan ZT-GmbH), 3D-Modell CityCalc zur energetischen Bewertung (Kurt Battisti, A-Null).
  • (7) CityCalc als Plugin für SketchUp (Trimble Navigation Ltd.). Visualisierung der Besonnung mit SketchUp Plugin SunHours (Solid Green Consulting, Alex Hall).
  • (8) Arch. Rem Koolhaas: „Wenn weniger mehr ist, dann ist ’nichts‘ vielleicht alles.”
  • (9) CityCalc-Team. Icons in Resultatsdiagramm von Flaticon; Ersteller: Freepik, Darius Dan und EpicCoders.
  • (10) z.B. Energy City Graz-Reininghaus, Quartier 4a und Quartier 7.